Wer hat schon mal versucht, eine schwierige Yogaposition einzunehmen, vielleicht zum hundertsten Mal, und es hat wieder nicht geklappt?
Ist es nicht frustrierend, dass es einfach nicht klappen will?
Man kriegt einfach nicht das Bein oder den Arm dahin, wo man es/ihn haben will. Oder es hapert am Gleichgewicht. Zum Verrücktwerden!
Dann gibt es drei Möglichkeiten:
Die Standardantwort: „Das lasse ich weg, das kann ich sowieso nicht…“ Es ist nichts anderes als Aufgeben, wenn dies die Reaktion ist. Mann entzieht sich praktisch der Aufgabe, diese Übung zu üben. Hätten wir als Kleinkind so reagiert, wenn der erste Laufversuch nicht geklappt hat oder wenn wir zum x-ten Male auf den Hosenboden gefallen sind, dann könnten wir bis heute nicht laufen. Man kann nicht alles beim ersten oder zweiten Mal können und manche Sachen brauchen auch etwas länger.
Das Ideal: Wir üben geduldig weiter, getreu dem Sprichwort: Der Weg ist das Ziel. Natürlich wollen wir nicht auf der Stelle stehenbleiben und zeigen wohl den Ehrgeiz, jedesmal ein wenig mehr zu schaffen. Aber wir respektieren die Grenzen. Die Grenzen des Körpers, die Grenzen der Konzentration, die Grenzen unserer Ausdauer und Disziplin. Es ist eben auch so, dass viele Übungen Jahre brauchen, ehe man sie beherrscht. Noch ein Sprichwort: Steter Tropfen höhlt den Stein.
Manchmal passiert es auch, dass wir wütend werden.
Auf uns selber, auf unseren Körper, auf die ganze Welt. Dann kann man wieder entweder alles hinschmeißen vor Wut, oder man zwingt seinen Körper in diese Position. Ignoriert die Schmerzen, ignoriert die Warnungen, die wie Blitze im Kopf auftauchen. Das muss doch zu schaffen sein! Ja, manchmal ist etwas Strenge mit uns selbst gut, wir sollten auch nicht zu weich sein. Aber wenn das Ganze in Leichtsinn ausartet, der von Frust genährt wird, dann wird es gefährlich. Dann entsteht auch im Yoga, wie in jeder anderen Sportart, die Gefahr sich zu verletzen.
Unser Körper ist jeden Tag anders, manchmal gehen die Übungen leichter, manchmal hat man wirklich Schwierigkeiten damit. Auch ist unser innerer Zustand jeden Tag anders. Üben wir nach einem stressigen Tag auf der Arbeit, geben wir bei Schwierigkeiten entweder auf oder wir zwingen uns zu Sachen, zu denen wir noch nicht bereit sind. Gehen wir gelassener an das Üben, können wir mehr Geduld aufbringen, mehr Verständnis für den Zustand unserer selbst in diesem Moment. Können uns selber besser akzeptieren.
Vielleicht gibt es einen Grund dafür, dass es heute nicht klappt? Selbst bei einer alten Verletzung kann man eine Übung mal ganz gut machen und mal ist überhaupt nicht daran zu denken, sie zu machen. Wann geht die Übung gut und wann nicht? Was beeinflusst mich oder meinen Körper so, dass es heute derart schwierig ist? Das Üben ist manchmal auch ein Gradmesser für die Reaktion auf alle Einflüsse, denen wir tagtäglich ausgesetzt sind. Wie ist unser Umgang mit all dem, was auf uns einwirkt? Der „Erfolg“ beim Üben spiegelt dies wider. Und ist vielleicht auch eine Möglichkeit, endlich einmal wahrzunehmen, was mit uns täglich passiert. Wir blenden so viel aus, weil wir funktionieren müssen oder weil wir es nicht wahrhaben wollen.
Manchmal muss das Leben uns schon mit einem Zaunpfahl winken, damit wir merken, was los ist.
Sei nicht frustriert, wenn etwas auch nach langem Üben nicht zu deiner Zufriedenheit klappt. Schon gar nicht solltest du wütend sein. Wütend auf dich selber, auf deinen Körper. Stattdessen lerne die Sprache des Körpers. Warum will er das nicht, wehrt sich vielleicht? Gibt es stattdessen eine Möglichkeit, ihn auf anderen Wegen als sonst dazu zu bringen, diese Aufgabe zu erfüllen? Ändere deine Routine. Erinnere dich: Du bist nicht auf etwas außerhalb von dir wütend, sondern auf dich. Was macht das für einen Sinn? Mit Yoga arbeitest du doch an dir, willst einen Sinn finden, dein Selbst entdecken. Und wenn es sich dann zeigt, wenn auch anders, als du dachtest, dann wirst du wütend. Wütend auf das, was du gesucht hast, weil es sich in einer Weise offenbart, die du nicht erwartet hattest. Beharrlichkeit und Geduld und Sanftmut bringen dich weiter. Gib dir Zeit, es ist kein Wettbewerb. Wie lange du für eine Übung brauchst, ist doch unerheblich. Irgendwann kannst du sie. Dann kommt eine neue Übung, die dich wieder bis an deine Grenzen bringt und derselbe Tanz beginnt von vorn.
Du siehst, es ist völlige Verschwendung von Energie, wütend zu sein!
Wir sollten lernen, mit Gleichmut zu üben. Gleichmut heißt nicht Gleichgültigkeit. Es heißt, dass wir nicht von einem emotionalen Extrem zum anderen schwanken, sondern uns stattdessen in einem neutralen Zustand befinden. Also in uns ruhen! Und das ist Yoga. Das ist der Zustand, den wir durch das Üben von Yoga zu erlangen versuchen.
Halte dich nicht an Äußerlichkeiten fest, also an einem perfekt ausgeführten Asana zum Beispiel. Sieh lieber, was in dir passiert.
„Perfektioniere“ deinen inneren Zustand, indem du innere Ruhe suchst. Dann wird dir auch das Asana besser gelingen.
Und wenn du das Gefühl hast, dass du oft wütend oder sauer bist, eigentlich zu oft, und dich ständig über irgendetwas aufregst, dann liegt es nicht unbedingt nur an deinem Temperament. Es ist eigentlich eine Art von spontaner und heftiger „Müllentsorgung“. Der Körper wird mit allem Möglichen überflutet und muss das Verwertbare da herausfischen. Wohin mit dem Rest? Raus damit per Wutausbruch! Lies weiter im Minikurs.