Entspannt sein – kann man das essen?

Wir haben Mai, und wir sind definitiv mitten im Frühling. Der Appetit auf leichtere Kost (und auch die gute Laune) steigt mit der Intensität der Sonnenstrahlen. Zwar hatten wir auch im April schon sehr warme Tage, da war allerdings der Körper noch im Winterprogramm.

Jetzt aber habe ich beschlossen: Der Mief des Winters muss weg!

Die Umstellung vom Winter auf den Frühling ist für den Körper eine Herausforderung. Besonders da wir sehr naturfern leben in beheizten und lichtlosen Wohnungen. Aber auch, weil neuerdings die Temperaturen so extrem schwanken.

Ich habe die vergangenen warmen Tage in diesem noch relativ jungen Mai dazu genutzt, dem Körper die Anpassung an das wärmere Wetter zu erleichtern.

Über eine Woche habe ich nur von frischen Produkten der Jahreszeit gelebt, zubereitet nur so weit, dass meine menschlichen Zähne damit umgehen konnten. Obst, Gemüse, Grünes, alles roh und das meiste davon zubereitet als Salat. Dazu Samen und Nüsse. Und sonst nichts.

Warum roh? Das hat mehrere Gründe. Einerseits erleichtert rohe Kost dem Körper rasch die Anpassung an ein wärmeres Klima. Und bei unseren Temperaturschwankungen in diesem Frühjahr, wo es schnell und von einem Tag zum anderen von 13 Grad auf 27 Grad gehen kann, leidet man dann auch nicht so unter der plötzlichen „Hitze“.

Ich ernähre mich Zeit meines Lebens nur von frischen und natürlichen Lebensmitteln, was normalerweise auch einschließt, dass die Gerichte gekocht werden. Jedoch wenn wir kochen, kochen wir in der Regel zu lange und mit zu viel Temperatur, die einzelnen Zutaten verlieren ihre Konsistenz und wir zerkochen auch den Geschmack. Das schmälert den Genuss und wir brauchen Salz, um das Essen schmackhaft zu machen. Gekochtes Essen ohne oder mit zu wenig Salz ist für die meisten Menschen ungenießbar.

Esse ich die Produkte roh, haben sie alle ihren eigenen und intensiven Geschmack. Ich benötige kein Salz, um das Essen schmackhaft zu machen. Im Gegenteil, mehr als eine Prise Salz würde das Essen ungenießbar machen. Und esse ich wenig Salz, ist mein Körper viel elastischer und auch schmerzfreier beim Yoga üben. Zudem bleibt das Verlangen nach Süßigkeiten oder Nachtisch aus, weil ich kaum Salz esse. Und weil ich natürliche Süße in Form von Obst oder auch süßem Gemüse (rohe Karotten z.B. sind süß) aufnehme. Somit vermeide ich auch den Konsum von Haushaltszucker oder ähnlichen Süßungsmitteln.

Aber der beste Effekt dieser Woche ausschließlich roher Nahrung war, dass ich von Tag zu Tag spüren konnte, wie Schicht für Schicht der Druck und die Anspannung des „normalen“ Lebens von mir fielen. Drei Tage schwamm ich ein wenig zwischen Festhalten und Loslassen, ab dem vierten Tag ging es mit Riesenschritten auf der Wohlfühlskala nach oben. Ich fühlte mich unbeschwert, selbst die negativen Nachrichten in Radio und TV prallten an mir ab. Ich fing an, die ganze Zeit zu lächeln. Ich merkte förmlich, wie erst meine Augen das Lächeln begannen und es sich dann von Tag zu Tag weiter im Gesicht verbreitete. Dinge, die ich sonst nur mit Widerwillen erledigte, nahm ich einfach in Angriff, damit sie vom Tisch waren. Ich schaffte an einem Tag mehr als sonst in einer Woche, weil mein Widerstand einfach weg war.

Ich wachte morgens mit einem Lächeln auf. Ich war ausgeschlafen. Ich fühlte mich so entspannt wie schon lange nicht mehr in meinem Leben. Ich fühlte mich wie das Kind von damals, das unbeschwert und eins mit seiner Umgebung durch die Wiesen läuft und sich einfach nur an dem erfreut, was es wahrnimmt.

Ich konnte wieder mit meinen Katzen spielen. Ich hatte in der Vergangenheit keine Zeit bzw. das Gefühl, keine Zeit dafür zu haben. Der Druck der Dinge, die erledigt werden mussten, war einfach zu groß. Jetzt hatte ich wundersamerweise Zeit, mit ihnen zu spielen.

Also Rohkost forever? Nein. Auf Dauer ist das nicht unbedingt die Lösung. Diese Tage mit frischem und rohem Essen gaben mir einen raschen Ausgleich für das schwere Essen der Winterzeit und so konnte ich mich schnell an die plötzliche Hitze anpassen. Aber langfristig benötige ich einen Mittelweg.

Denn der Körper sucht Balance.

Immer. Von Minute zu Minute, von Tag zu Tag, aber auch über die Jahreszeiten hinweg. Schwere Winterkost ist ein Extrem, rohe Kost ist das andere Extrem. Komme ich von einem Extrem in das andere, ist der Umschwung zu schnell und auch das kann den Körper aus der Balance bringen.

Die richtige Ernährung kann grundlegend den Zustand des Körpers und auch den mentalen Zustand korrigieren. Unsere Ernährung beeinflusst uns mehr, als wir denken und mehr, als wir zugeben möchten. Die Wahl unserer Nahrungsmittel und unserer Zubereitungsmethoden entsprechend der Jahreszeiten ist das einfachste und tiefgreifendste Mittel, das wir haben, um unseren Zustand den Gegebenheiten anzupassen. Ich kann nicht im Frühjahr, wenn draußen alles sprießt und wächst und junges pflanzliches Leben überall zu sehen ist, mit den Nahrungsmitteln des vergangenen Winters und dessen wärmenden und starr machenden Kochmethoden fortfahren. Das fördert Anspannung, macht uns unfähig, mit Stress umzugehen, wir reagieren gereizt, werden vielleicht sogar krank (Erkältung im Frühjahr oder Frühsommer – schon gehabt?). Es blockiert unser Denken und verhärtet unsere Muskeln.

Wir Deutschen sind dafür bekannt, unser Essen traditionell zu lange zu kochen, zu schwer zu essen. Dies ist eine Art der Zubereitung, die Schwere, (An-) Spannung, Festigkeit bzw. Rigidität fördert, unflexibel macht, starr im Denken und starr in den Gelenken.

Glücklicherweise kochen nur noch die wenigsten traditionell, unsere Ernährung hat sich im Laufe der Jahrzehnte sehr gewandelt, die Zutaten und Kochstile haben sich verändert.

Trotzdem haben wir noch diese Tendenz von zu viel Schwere und zu wenig Lebendigkeit.

Das sollten wir ändern. Wir sollten leichter Kochen, also nur kurze Garzeiten bevorzugen wie Blanchieren, Dämpfen, u.ä. Nicht dauerhaft zu hohe Temperaturen verwenden, selten Braten, Backen oder Frittieren.

Was im Winter in Hinsicht auf das Essen Bedürfnis ist, ist im Frühjahr vielleicht gänzlich falsch. Unser Körper reagiert stark auf die Veränderungen, die die Jahreszeiten mit sich bringen. Eine Ernährung, die sich den Bedingungen des Frühlings anpasst, führt dazu, dass wir uns in dieser Jahreszeit wohl fühlen, gesund und auch entspannt.

Die „schlechte“ Nachricht

Ich war nach einer Woche so entspannt, dass ich eine Warnung mit Blick auf das Autofahren aussprechen muss (gilt allerdings generell für Konfliktsituationen): Es ist in diesem entspannten Zustand nicht mehr möglich, mit der Aggressivität der anderen Autofahrer mitzuhalten. Man kann nicht mehr die nötige Anspannung und Gereiztheit aufbringen, die im deutschen Straßenverkehr nötig ist. Vielleicht ist es wirklich sinnvoller eine gewisse Grundanspannung oder einen gewissen Stresslevel zu haben, damit man sich und andere im Autoverkehr nicht gefährdet.

Vor einer längeren Autofahrt also unbedingt das Essen gut salzen und vor allen Dingen viel Brot essen!

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