Frühlingsgefühle

Der Februar ist für mich ein widersprüchlicher Monat. Die Tage sind jetzt spürbar länger geworden, wir bekommen mehr Licht ab als in den vergangenen Wochen. Dies weckt in mir das Bedürfnis, etwas zu machen. Etwas zu verändern vielleicht. Raus aus der Trägheit der dunklen Wintertage.

In meiner Wohnung fallen mir plötzlich tausend Dinge auf, die mal wieder gemacht werden müssten. Den Schrank aufräumen. Überflüssige Küchenutensilien bzw. –staubfänger wegwerfen und mehr Platz schaffen. Alles soll aufgeräumter aussehen. Und bei all der Helligkeit tagsüber fällt auch auf, dass ein paar Ecken gründlicher geputzt werden müssen…

Ich bekomme schlagartig wieder Appetit auf frisches Gemüse. In meinem Kopf kreisen die Wahnvorstellungen, ganze Einkaufswagen voller farbenfroher, praller, gesunder Gemüseprodukte nach Hause zu schaffen und meinen Körper mit Tonnen von Vitaminen und Mineralstoffen zu überraschen. Lebensfroh und munter springe ich dann morgens aus dem Bett und kann es kaum erwarten, den Tag gut gelaunt und vor lauter verzehrtem Gemüse natürlich supergesund und fit anzugehen. Voller Energie und Schaffensfreude.

Leider sieht die Wirklichkeit eine Winzigkeit anders aus.

Der Körper – ja, auch ein Yogakörper – ist im Februar noch im Wintermodus. Soll heißen, dass er sich gegenwärtig offiziell noch im Winterschlaf befindet. Er will es warm haben, kuschelig, bequem. Und vor allen Dingen ruhig.

Der Bewegungsdrang, der mich alle paar Tage überfällt, ist leider nur eine fixe Idee meines Kopfes, die den richtigen Ausgang Richtung Körper nicht findet und so immer weiter ihre Kreise im Kopf dreht.

Mein Körper ist noch träge, auch wenn er sich durchaus über die Übungsstunden freut. Aber er ist dann auch wieder ganz froh, wenn wir im warmen Zimmer auf dem Sofa sitzen. Die eher schwere Kost des Winters konnte er noch nicht abschütteln, schwankt hin und her zwischen Appetit auf deftiges Essen und aufkeimendem Geschmack für leichtere Kost.

Er fühlt sich schwer an und es ist immer eine Aufgabe, auf die Yogamatte zu gehen. Erst drehen wir große Kreise um die Matte, die ich dann geschickt immer enger mache, bis es keine andere Möglichkeit mehr gibt, als einen Fuß auf die Matte zu setzen.

Gefangen! Es wäre eine Blamage, unverrichteter Dinge wieder von der Matte herunter zu schreiten. Also einigen wir uns darauf, dass wir mit der Übung anfangen, die uns beiden den wenigsten Widerstand bereitet.

Körper und Kopf stellen fest, dass sie eigentlich doch eine gemeinsame Sprache sprechen, denn es gefällt uns, diese eine Yogaposition einzunehmen. Mal sehen, wie sich eine zweite anfühlt… Und flugs ist eine Stunde vergangen, vielleicht sogar mehr. Wir haben intensiv geübt. Der Kopf ist zufrieden. Der Körper verspricht, sich morgen nicht so anzustellen, denn es war ja sehr schön in der vergangenen Stunde – ich bezweifle, dass es morgen wie versprochen leichter gehen wird, aber immerhin, die gute Absicht muss ich anerkennen.

Und so manövrieren wir uns durch den hellen Februar. Er ist ja glücklicherweise recht kurz, so dass dieses Manövrieren bald ein Ende hat. Bis dahin belohne ich meinen Körper mit den kulinarischen Resten des Winters, wie Chinakohl (hervorragend für Salat), Grünkohl, rote Beete, Rotkohl, Feldsalat, Weißkohl. Er ist zufrieden, dass er keinen abrupten Übergang hat, während ich ihn überliste und das Essen immer weniger deftig und schwer werden lasse. Was ich roh essen kann, esse ich roh.

Und es bekommt ihm gut. Mit der Helligkeit nimmt nun auch unsere Energie zu.

An manchen Tagen ist der Weg zur Matte gar nicht so weit…

 

 

2 Gedanken zu “Frühlingsgefühle

  1. Ein interessanter Artikel, dem ich eins hinzufügen möchte.
    Alle Yoginis und Yogis, welche den Drang verspüren, gleich vom Schreibtisch auf die Yoga zu wechseln, sollten ihrem Körper besondere Aufmerksamkeit verleihen. Besonders der Nackenmuskulatur. Ist diese „eingerostet“, also zu schwach, und die Bandscheiben eingetrocknet, kann die Kobra, Schulterstand und Co. zur Gefahr werden. Selbst erlebt, zwei Halswirbelbandscheiben gestaucht und unwiederbringlich verloren. Ich schreibe darüber auf http://lebe.yoga/yoga-verletzung/
    Bin derzeit noch auf Reha und praktiziere bereits wieder aktives Hatha-Yoga etc. Mit Vorsicht. Meine Nackenmuskulatur hat am Reha-Gerät bereits 6 kg Belastbarkeit. Nach meinem „Unfall“ nur 1-2 kg. Viel zu schwach, um die Stauchungen durch einige Yoga Asanas auszuhalten.

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    • Hallo Günter, danke für deinen ausführlichen Kommentar. Auch wenn es in diesem Artikel lediglich über meine eigene Erfahrung bzw. Weg zur Matte geht, ist jedoch generell dieser Hinweis auf Verletzungen sicherlich sehr wichtig.

      Wie bei jedem „Sport“ (Yoga ist kein Sport, aber aus der Sicht vieler Untrainierter eben doch), gibt es auch beim Yoga eine gewisse Verletzungsgefahr. Nämlich bei falscher Ausführung der Übungen, resultierend aus Mangel an Wissen bzw. Anleitung durch einen fachkundigen Lehrer, oder auch aus zu viel Ehrgeiz. Meist betreffen diese Verletzungen bekannte Schwachstellen oder alte, bereits (latent) vorhandene Verletzungen. Im Yoga gilt in Bezug auf Ehrgeiz eher „less is more“. Vielmehr geht es darum, nicht nur die Stärken des Körpers zu kennen, sondern ganz besonders auch die Schwächen des Körpers – und wie man damit umgeht.

      Gerade als Anfänger, Untrainierter, Vorgeschädigter im Sinne von „ich habe ein Knieproblem, möchte aber Yoga erlernen“, ist es wichtig, sich einen guten Lehrer zu suchen. Ein Lehrer, der so ausgebildet ist, dass er auf die individuellen Voraussetzungen, Schwierigkeiten, etc., seiner Schüler explizit eingehen kann. So können Verletzungen vermieden werden und Schwächen sind dann irgendwann vielleicht keine Schwächen mehr 😉

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